24
Juli
2023
|
15:02
Europe/Amsterdam

Was es heißt, innovativ zu sein: Recyclingtechnologien

Written by: Liesa Weiße
Zusammenfassung

Innovation ist nicht nur eine Frage des Könnens. Es ist eine Frage der Kreativität und der Resilienz. Manchmal geht man drei Schritte vorwärts und zwei Schritte zurück und trotzdem bleibt der Antrieb, weiterzumachen. Wir haben zwei Innovatoren bei Covestro nach ihrem persönlichen Weg bei der Entwicklung neuer Recyclingtechnologien gefragt und was es für sie heißt, innovativ zu sein.

Unsere Interviewpartner arbeiten in ganz unterschiedlichen Stadien des Innovationsprozesses. Beide arbeiten an neuen Recyclingtechnologien. Karin Clauberg ist Plattformleiterin für Kreislaufwirtschaft bei Covestro und arbeitet derzeit an der Kommerzialisierung von Evocycle® CQ Mattress, einer chemischen Recyclingtechnologie für Polyurethan-Weichschaum. Jan Heijl ist Leiter der Gruppe für die Entwicklung chemischer Prozesstechnologien für Polycarbonate, TPU und Folien. 

 

Karin, Jan, an welcher Innovation habt ihr zuletzt gearbeitet? 

Karin: Das chemische Recyclingverfahren, das wir im Rahmen unserer ersten Initiative Evocycle® CQ Mattress entwickelt haben: Wir verwandeln ausgedienten Matratzenschaum direkt wieder in erneuerte Rohstoffe für Polyurethan – und geben ihnen neues Leben. Ich bin sehr stolz darauf, Teil dieser Entwicklung zu sein. In unserem Technikum in Leverkusen konnten wir zeigen, dass die beiden Hauptrohstoffe, die aus dem Polyurethan-Weichschaum aus gebrauchten Matratzen gewonnen wurden, vollständig durch Chemolyse zurückgewonnen werden können. 

Jan: Mein Team und ich arbeiten gerade daran, einen Ansatz für das chemische Recycling von aromatischen Polycarbonaten zu finden. Ziel ist es, eine gute Ausbeute und Selektivität zu erreichen, den Prozess aber nicht zu energieintensiv zu machen. Da Polycarbonatabfälle selten selektiv gesammelt werden, ist auch die Anwendbarkeit auf eine breite Palette von Produkten und Mischungen ein Muss. Nehmen wir zum Beispiel Autoteile. Sie sind meist beschichtet, daher muss der Prozess auch für diese Materialmischungen funktionieren. 

Jan, du arbeitest eher am Beginn des Innovationszyklus. Woher weißt du, welche Technologien es sich auszuprobieren lohnt? 

Jan: Die Entwicklung von Recyclingtechnologien läuft ähnlich wie andere F&E-Projekte. Die Unternehmensstrategie gibt vor, in welche Richtung man grundsätzlich schauen sollte. Dann beginnt alles mit einer Literaturstudie, dem Köpfe-Zusammenstecken kreativer Forscher und dem richtigen Expertennetzwerk. Die Kombination dieser drei Faktoren führt dann zu ersten Screening-Experimenten zu den ausgewählten Technologien. Sobald Experimente ins Spiel kommen, zeigt sich schnell, welche Technologien vielversprechend sein könnten und auf welcher Route wir nicht weiterkommen. 

Während des Prozesses der Entwicklung von neuen Recyclingtechnologien, was war die größte Herausforderung für euch? 

Jan: Die Verfügbarkeit eines klaren Rohstoffstroms für eine Polycarbonat-Recyclingtechnologie ist vergleichbar mit einer Henne-Ei-Diskussion. Da derzeit keine Technologie für den Umgang mit einem potenziellen Abfallstrom verfügbar ist, wird auch kein Abfall gesammelt und zur Verfügung gestellt. Wir müssen also sowohl die Technologie als auch die Abfallverfügbarkeit, also unseren Rohstoffstrom für die Recyclingtechnologie parallel entwickeln.

Karin: Der Schlüssel für eine erfolgreiche Prozessindustrialisierung liegt sicherlich in der Entwicklung und Validierung innovativer Technologien auf industrieller Ebene, aber auch in der Etablierung zirkulärer ökokommerzieller Systeme. Nur gesammelte Kunststoffabfälle können recycelt werden, wie Jan schon sagt. Daher ist es notwendig, die Abfallentsorgung sowie die Sammel- und Sortiersysteme zu verbessern. Zudem sollen gesetzliche Regelungen die Entsorgung von Kunststoffen auf Deponien verbieten, sobald Recyclingtechnologien verfügbar sind. Im Falle der Matratzen haben bisher nur einige europäische Länder Sammelsysteme eingerichtet, die das Recycling von Matratzen ermöglichen. So arbeiten wir mit Recyclingspezialisten wie Interzero und Eco-mobilier sowie weiteren Partnern entlang der Wertschöpfungskette zusammen, um letztlich den Materialkreislauf für Polyurethan-Matratzen zu schließen. 

Wenn ihr im Prozess auf solche Schwierigkeiten stoßt, wie fühlt sich das an? 

Jan: Für unsere technischen Experten, die sich nichts sehnlicher wünschen, als kreativ Lösungen für technische Fragen zu finden und zu testen, gibt es nichts Frustrierenderes, als eine hypothetische Logistikfrage ohne klare Antwort zum x-ten Mal zu diskutieren. Frustration ist also das richtige Wort, um das Gefühl zu beschreiben, glaube ich. 

Karin: In den letzten Jahren standen wir vor einigen technischen Herausforderungen und einige Fragen sind auch heute noch nicht beantwortet. Das kann manchmal entmutigend sein. Auf der anderen Seite ist man durch die Arbeit an Entwicklungsprojekten auf diese Höhen und Tiefen vorbereitet. Meistens schaffe ich es also, Mut und Zuversicht zu bewahren. 

Wie motiviert ihr euch dazu, weiterzumachen? 

Karin: Meiner Meinung nach ist es entscheidend, dass das gesamte Team, interne und externe Stakeholder, an den Erfolg des Projekts glauben. Wir müssen zuversichtlich sein, das Richtige zu tun! Es geht nicht nur darum, Teil dieses enormen Wandels hin zur Kreislaufwirtschaft zu sein, sondern auch um die Überzeugung, dass die Technologie die Polyurethanindustrie als Ganzes verändern wird. 

Jan: Das gesamte Team glaubt an die Technologie, die wir entwickeln, und wir sind davon überzeugt, dass, sobald die Technologie verfügbar ist, auch ein Zustrom zur Verfügung gestellt wird. Wir wissen, dass wir reichlich Abfallprodukte aus verschiedenen Branchen und Produktgruppen haben werden, um die ersten Schritte für die Skalierung zu machen, wenn wir soweit sind. Wenn wir dort erfolgreich sein können, sind wir überzeugt, dass dies den notwendigen Anstoß geben wird, größere Mengen zu sammeln und zu recyceln, um den Umfang und die Anwendbarkeit der Technologie weiter auszubauen. 

Karin, mit Evocycle® CQ Mattress habt ihr bereits ein paar Jahre der Entwicklung hinter euch. Wie habt ihr euch als Team über die Zeit motiviert? 

Karin: In der Tat bin ich bereits seit 2019 für diese Aktivitäten verantwortlich. Um ehrlich zu sein, war es nicht allzu schwierig, motiviert zu bleiben, da unser Management sehr schnell beschloss, die Technologie auf der Grundlage unserer ersten Labortests hochzuskalieren. Seitdem haben wir, das gesamte Team und ich, intern viel Unterstützung, Vertrauen und Rückhalt bekommen. Zuletzt hatten wir ein positives Kundenfeedback, das beweist, dass Polyurethanschaum chemisch recycelbar ist. Das war ein großer Erfolg für uns und ein echter Vertrauensschub, dass wir auf dem richtigen Weg in Richtung Kreislaufwirtschaft sind. 

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