14
Februar
2024
|
10:00
Europe/Amsterdam

Kräfte bündeln für die nachhaltige Transformation

Zusammenfassung

Materialien spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben sowie den Kohlenstoff-Fußabdruck von einzelnen Produkten und ganzen Sektoren zu verringern. Stahl, Glas und Beton sind die üblichen Verdächtigen, die einem schnell in den Sinn kommen, wenn man an emissionsintensive Materialien denkt.

Solche Materialien sind besonders wichtig, wenn man die wachsende Größe der Weltbevölkerung und städtischer Gebiete sowie den darauffolgenden Bedarf an neuen Gebäuden betrachtet. Mit fast 40% der globalen Emissionen trägt der Bausektor 20-mal mehr zum Klimawandel bei als beispielsweise die globalen Emissionen des internationalen Flugverkehrs. Das bedeutet, dass die nachhaltigere Gestaltung des Bauwesens durch die Verwendung von immer nachhaltigeren Materialien einen großen Einfluss darauf haben kann, den Kohlenstoff-Fußabdruck in unseren modernen Leben zu verringern.

Zwei Unternehmen, die dazu beitragen möchten, Gebäude nachhaltiger zu gestalten, sind die deutschen Chemieunternehmen Henkel und Covestro. Denn neben den genannten „üblichen Verdächtigen“ tragen auch Kunststoffe auf sichtbare sowie weniger sichtbare Weise zur Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in Gebäuden bei. Zum Beispiel in der Isolierung, in Türen und Fensterrahmen - oder in Klebstoffen für tragende Holzstrukturen.

Warum alternative Rohstoffe und die Zusammenarbeit von Unternehmen wie Henkel und Covestro wichtig und notwendig sind, um Gebäude immer nachhaltiger zu machen, haben wir Dr. Sebastian Barth, Director Sustainable Materials bei Henkel Adhesive Technologies, und Dr. Mathias Matner, Leiter der Nachhaltigkeit bei der Geschäftseinheit Coatings and Adhesives von Covestro, gefragt.

Sebastian, Henkel möchte in Sachen Nachhaltigkeit Vorreiter sein und die Kohlenstoffemissionen reduzieren. Wie wichtig ist die Beschaffung der richtigen Rohstoffe für dieses Vorhaben?

Dr. Sebastian Barth: Die Beschaffung der richtigen Rohstoffe ist und bleibt absolut entscheidend. 60% der Emissionen entlang der Wertschöpfungskette von Henkel Adhesive Technologies werden mit den von uns beschafften Rohstoffen in Form von sogenannten Scope-3-Emissionen „eingekauft“. Wir wollen daher CO2-Emissionen eines bestimmten Rohstoffs ganzheitlich verstehen. Dafür müssen wir zwischen eingebettetem Kohlenstoff und Prozessemissionen unterscheiden und beide berücksichtigen.

Beim eingebetteten Kohlenstoff geht es darum, dass in der chemischen Industrie viele Rohstoffe auf Rohöl oder Erdgas basieren, die aus Kohlenstoff bestehen. Eingebettete Emissionen entstehen, wenn ein Produkt am Ende der Nutzungsdauer zerfällt oder zersetzt wird und CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird. Eines der wichtigsten Konzepte zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und zur Ansprache von Scope-3-Emissionen für das Ende von Produktlebenszyklen ist der Übergang von fossilem Kohlenstoff zu erneuerbarem Kohlenstoff für alle organischen Chemikalien und Materialien. Erneuerbarer Kohlenstoff umfasst alle Kohlenstoffquellen, die die Verwendung zusätzlichen fossilen Kohlenstoffs vermeiden oder ersetzen. Er stammt dann aus Quellen, die nachwachsen, eingefangen oder recycelt werden können. Er zirkuliert so zwischen Biosphäre, Atmosphäre oder Technosphäre und schafft eine Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft.

Prozessemissionen beziehen sich wiederum auf den Herstellungsprozess. Dieser benötigt Energie und erzeugt daher weitere Emissionen, die zur Gesamtkohlenstoffbilanz eines Produkts beitragen. Das Gleiche gilt für jeden Akteur entlang der Wertschöpfungskette. Daher muss jeder seine eigenen Betriebsabläufe betrachten, um Energieeffizienz zu gewährleisten und auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen. Diese sogenannten Scope-1- und Scope-2-Emissionen sind die Hausaufgabe, die wir alle erledigen müssen, wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen wollen. Bei Henkel haben wir uns ehrgeizige Ziele gesetzt und wollen bis 2030 in unseren Betrieben klimapositiv werden. Das bedeutet, dass wir unsere Emissionen auf null reduzieren und überschüssige grüne Energie an Dritte abgeben werden. Und hier sind wir bereits gut auf Kurs: Bis 2023 haben wir als Geschäftseinheit Henkel Adhesive Technologies einen Anteil von über 90 % unseres Stroms aus erneuerbaren Quellen bezogen und die Emissionen pro Tonne Produkt um 55 % (im Vergleich zu 2010) reduziert.

Wie steht ein Werkstoffhersteller wie Covestro zu dem Thema?

Dr. Mathias Matner: Bei Covestro erkennen wir unsere Verantwortung und wollen diese auch tragen. Wir wissen, dass wir weit vorne in der Wertschöpfungskette stehen und ein Wegbereiter für eine nachhaltige Transformation sind. Unsere Materialien finden sich in tausenden Endprodukten. Wenn wir unsere Produkte nachhaltiger gestalten, wird das daher den Kohlenstoff-Fußabdruck all dieser Produkte beeinflussen. Deshalb machen wir unsere Hausaufgaben, genau wie Henkel: Wir haben uns sehr ambitionierte Ziele für Klimaneutralität gesetzt und treiben die Kreislaufwirtschaft voran. Wir sind bereits voll im Gange: Bis Ende 2023 hatten wir fast ein Fünftel unseres Strombedarfs durch alternative Quellen gedeckt.

Darüber hinaus entwickeln wir Recyclingtechnologien für unsere Kernmaterialien wie Vorprodukte für Weichschaum, Hartschaum oder Polycarbonate und andere Materialien, um deren vollständige Kreislauffähigkeit zu ermöglichen. Zusätzlich beziehen wir eine stetig wachsende Menge an alternativen Rohstoffen, die im Vergleich zu traditionellen, fossilen Rohstoffen einen immer geringeren Kohlenstoff-Fußabdruck haben. Sie sehen: Indem wir unsere Rohstoffbasis auf nachhaltigere Materialien umstellen und selbst klimaneutral sind, versuchen wir, Veränderungen voranzutreiben. Wenn dann eine entsprechende Nachfrage vom Markt kommt, sind wir und ist unser Portfolio bereit und wir können unsere Kunden und Partner unterstützen. Die Art und Weise, wie Covestro und Henkel es nun für Holzklebstoffe machen, ist ein großartiges Beispiel dafür, wie eine solche Beziehung und gegenseitige, positive Beeinflussung funktioniert. Es zeigt, dass die Dinge in die richtige Richtung gehen.

Wo sehen Sie die größte Lücke, die mittel- und langfristig geschlossen werden muss, um Materialien und die chemische Industrie im Allgemeinen zu dekarbonisieren?

Dr. Sebastian Barth: Die Veränderung, über die wir sprechen, ist eine Jahrhundertaufgabe. Sie beinhaltet nichts Geringeres als die Umstellung der Energieversorgung, die Anpassung von Produktionsprozessen, den Ausbau von Lieferketten für alternative Rohstoffe, die Umstellung der Logistik auf Kohlenstoffneutralität und die Ermöglichung vollständiger Recycelbarkeit. Und das auch noch alles gleichzeitig.

Das Gute daran ist: Das Thema steht hoch auf unserer, der politischen und gesellschaftlichen Agenda. Die Herausforderung liegt derzeit jedoch in der Knappheit erneuerbarer Energien, erneuerbarer kohlenstoffbasierter Materialien, Spitzentechnologien und der notwendigen Infrastruktur, um diesen Wandel herbeizuführen. Um diese Hürden zu überwinden, sehe ich zwei Erfolgsfaktoren: Der erste ist ein tiefgehendes Verständnis der Materialien. Deshalb tauchen wir bei Henkel in die Komplexität der Wertschöpfungsketten hinter verschiedenen Rohstoffen ein, identifizieren Hebel zur CO2-Reduktion und lenken unser Rohstoffportfolio in Richtung erneuerbarer, kohlenstoffbasierter Alternativen. Der zweite Erfolgsfaktor ist die durchgängige Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dazu gehört die Nutzung von Know-how zur Förderung der Zusammenarbeit, die Sicherstellung des Zugangs zu knappen Materialien, die Investition in und Anpassung an neue Technologien und die Einbindung von Stakeholdern entlang der Wertschöpfungskette, zum Beispiel gleich zu Beginn des Produktdesigns.

Dr. Mathias Matner: Ich stimme Sebastian voll und ganz zu. Wir sehen, dass die Transformation bereits begonnen hat, aber es ist harte Arbeit und wird nicht über Nacht geschehen. So entsteht im öffentlichen Dialog ständig der Eindruck, es gehe alles nicht schnell genug. Wir teilen dieses Gefühl. Daher drücken wir aufs Gas. Wir sehen aber auch, dass wir in bestimmten Bereichen dringend noch weiter beschleunigen müssen - zum Beispiel beim Hochfahren erneuerbarer Energien und alternativer Rohstoffquellen. In anderen Bereichen wie dem Recycling arbeiten wir selbst an Technologien und Wertschöpfungsketten. Aber es bedarf hier strikter Ziele und wissenschaftsbasierter, fördernder Regulierung, um die Einrichtung von Sammel-, Sortier- und Recyclingsystemen zu beschleunigen, sodass die Wirtschaft kreislauforientierter wird und so wenig Abfall wie möglich produziert. All diese notwendigen Veränderungen erfordern Jahre kontinuierlicher Innovation, Investition und Skalierung – und einen tiefgreifenden kulturellen Wandel. Die Aktivitäten von Covestro für eine nachhaltigere Zukunft und Kooperationen wie die mit Henkel zeigen mir gleichzeitig: Wir sind auf dem richtigen Weg.

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