17
Januar
2024
|
12:29
Europe/Amsterdam

Leuchtturm in unsicheren Zeiten

Written by: Dr. Markus Steilemann
Zusammenfassung

Unsicher, unübersichtlich, unwägbar – die Welt steckt in einer Vertrauenskrise. Unternehmen müssen jetzt ihr Vertrauenskapital stärker ausspielen. Ihre Mission: erklären, einordnen, Lösungen aufzeigen und Wandel herbeiführen.

Vertrauen ist der Klebstoff der Gesellschaft, sagen Soziologen. Der Hauptfaktor für Zusammenhalt und Zusammenarbeit, für Wohlstand, Innovation und Fortschritt. Doch die Menschheit ist dabei, dieses hohe Gut zu verspielen. Denn der soziale Kitt wird immer brüchiger, weltweit schwächelt das Vertrauen in Institutionen weiter, so die aktuelle Diagnose anlässlich des Weltwirtschaftsforums (WEF). Dieses Ergebnis des Edelman Trust Barometer korreliert mit einem düsteren Blick auf den Gesamtzustand der Welt. Die Aussichten für die nächsten zehn Jahre hätten sich zunehmend verschlechtert, heißt es in dem jetzt ebenfalls in Davos vorgestellten Global Risk Report.

Die vier apokalyptischen Reiter des Jahres 2024 sind extreme Wetterereignisse, Desinformation durch künstliche Intelligenz, gesellschaftliche und politische Spaltung sowie steigende Lebenshaltungskosten. Zahlreiche andere Missstände kommen hinzu. Die Welt erscheint vielen als Abfolge schier endloser Krisen und Zusammenballung riesiger Langfrist-Probleme, überschwemmt von einer Informations- und Meinungsflut. Verständlich, dass Verunsicherung, Mutlosigkeit, schlimmstenfalls Resignation um sich greifen.

Doch hier kommt der ewige Dualismus von pessimistischer und optimistischer Sicht ins Spiel. Ist das Glas halbleer – oder nicht doch eher halbvoll? Die Geschichte der Menschheit: Ist sie nicht letzten Endes – bei allen Rückschlägen und Katastrophen – eine Geschichte des Fortschritts, der technologischen Innovationen und sozialen Errungenschaften? Für mich eher eine rhetorische Frage. Denn ich stehe im Lager der (kritischen) Optimisten. Vor allem, weil wir – neben der Fähigkeit zu vertrauen und gemeinsam sinnvoll zu handeln – noch einen anderen wertvollen Rohstoff in uns tragen: Erfindergeist und Kreativität.

Auch dieser Rohstoff muss wieder stärker zutage gefördert und veredelt werden. Denn er sorgt für die Innovationen und zukunftsfähigen Lösungen, welche die Welt so dringend braucht. Die Wirtschaft, insbesondere die Chemie- und Kunststoffindustrie mit ihren unzähligen großen und mittleren Firmen, Start-ups und Kooperationen, beweist das immer wieder aufs Neue.

Vertrauenskapital zurückzahlen

Doch ausgerechnet das Vertrauen in die Steuerung und Umsetzung von Innovationen erodiere gewaltig, lautet der Warnruf aus Davos. Und damit bin ich bei dem, was ich aus dem Trust Barometer und dem diesjährigen WEF-Motto „Rebuilding Trust“ ableite: die Verantwortung von Unternehmen, bei der Durchsetzung von Innovationen, bei der Wiederherstellung von Vertrauen, bei der Verbreitung von Zuversicht aktiv mitzuwirken. Denn Firmen wird weiterhin unter aller Institutionen das höchste Vertrauen entgegengebracht. (Was nicht heißt, dass nicht auch die Wirtschaft gehörig an ihrem Ansehen arbeiten muss.)

Gleichwohl – mit diesem Vertrauenskapital, mit ihrem großen Wissen und Einfluss müssen Unternehmen als Leuchtturm wirken in unserer hochkomplexen Welt: einordnen, erklären, Lösungen aufzeigen, Wandel herbeiführen. Und zwar auf allen Ebenen – ökologisch, ökonomisch und sozial. Covestro will einen solchen Wandel in 3D befördern. In puncto Umwelt heißt das: Mit unserem entschiedenen Eintreten für die Kreislaufwirtschaft wollen wir helfen, die Lebensgrundlagen auf der lädierten Erde zu bewahren. Zirkularität muss zum globalen Leitprinzip in Wirtschaft und Gesellschaft werden.

Gleichzeitig gilt es, die gesamte Wirtschaftsordnung zu überdenken. Hier muss auch das Thema Suffizienz, die Frage nach dem richtigen Maß für Konsum und Produktion, diskutiert werden. Eines ist dabei klar: Die Wertschöpfung muss makro- und mikroökonomisch künftig stärker auf nachhaltige Ziele ausgerichtet werden. Covestro fördert diesen Gedanken, indem wir die grüne Transformation in vielen Bereichen durch kreislauforientierte, klimaneutrale Materialien vorantreiben.

Aber der Wandel wird ausbleiben, wenn nicht auch die gesellschaftlichen Grundlagen dafür gestärkt werden. Das gilt besonders für drei ineinandergreifende Sphären: die Bereitschaft zum konstruktiven, rationalen Dialog, die naturwissenschaftliche Bildung sowie die Akzeptanz und den Spielraum der Wissenschaft.

Alle drei sind unter Druck. Laut Trust Barometer ist die „Infodemie“ eine wesentliche Ursache für die Vertrauenskrise, und im Global Risk Report werden KI-gesteuerte Fehl- und Desinformationen sogar als das größte Risiko auf Zweijahressicht genannt. Das sollte jeden aufrütteln, auch die Wirtschaft. Alle gesellschaftlichen Ebenen müssen zunehmendem Populismus und Spaltungstendenzen jetzt mehr faktenbasiertes Denken entgegensetzen. Hinzu kommt: Die Bildungssysteme sind vielfach weder zukunftsweisend noch zugänglich genug. Und die Wissenschaftsskepsis steigt – nach einer Zunahme an Glaubwürdigkeit in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie – inzwischen wieder an.

Covestro will als wissenschaftsbasiertes, offenes Unternehmen im Verbund mit Gleichgesinnten diese Themen stärker ansprechen. Es gilt, den Wert von Rationalität, Bildung und Forschung zu vermitteln und Innovationen, die Wirtschaft und Gesellschaft nach vorne bringen können, greifbar zu machen. Wir müssen zeigen, dass positiver Wandel machbar ist. Und dass er sich für alle lohnt. Dann lässt sich hoffentlich Vertrauen zurückgewinnen.

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