06
Dezember
2023
|
16:15
Europe/Amsterdam

Der Müll, die Stadt und der Gipfel

Written by: Stefan Mechnig, Ralph Schneider
Zusammenfassung

Auf dem Klimagipfel in Dubai geht es vor allem um den Ausbau grüner Energie. Im Kampf gegen die globale Erwärmung sollten die Städte der Welt jedoch zu Zentren der Kreislaufwirtschaft werden, indem sie ihren Ressourcenhunger unter anderem dadurch stillen, dass sie ihre Abfälle in Rohstoffe umwandeln.

Dubai: Kaum eine Stadt hat sich so rasant entwickelt, vom Fischerdorf am Wüstenrand zur pulsierenden Metropole. Das macht sie zu einem Sinnbild für den gestalterischen Willen und das Können des Menschen. Und als Austragungsort der Weltklimakonferenz COP28 zum perfekten Treffpunkt, um über die Zukunft der Städte dieser Welt nachzudenken. Die kann nur im entschlossenen Handeln für mehr Nachhaltigkeit liegen. Denn die urbanen Zentren haben überproportional viel Verantwortung für Klimawandel, Ressourcenausbeutung und Umweltzerstörung; mehr als 70 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen gehen auf ihr Konto.

Immer mehr Menschen zieht es in die Metropolen, auf der Suche nach Freiheit, Entfaltung und Abwechslung, nach Aufstieg und Wohlstand. Momentan gibt es bereits 4,4 Milliarden City-Bewohner – das ist mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Bis 2050 dürfte der Anteil auf fast 70 Prozent steigen. Gleichzeitig nimmt auch die Zahl der riesigen Metropolen in atemberaubendem Tempo weiter zu. Existieren heute knapp 580 Millionenstädte wie Dubai rund um den Globus, so werden es 2030 wohl über 700 sein. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist eine Spirale aus Ressourcenverbrauch, schnelllebigem Konsum und am Ende mehr Abfall.  

COP-Thementag zu Urbanisierung und Klima

Im Umkehrschluss gilt: Die Mega-Cities spielen eine zentrale Rolle beim Schutz vor der immer stärkeren Aufheizung der Erde und bei der Gestaltung einer nachhaltigen Gesellschaft. Auf der zweiwöchigen Klimakonferenz gibt es zu dem so bedeutenden Komplex denn auch einen eigenen Thementag: Am 6. Dezember befassen sich Politiker, Geldgeber und Experten aus aller Welt mit den Folgen der Urbanisierung für das Klima.

Ansatzpunkte für die Reduzierung von Treibhausgasen, für Klimaneutralität im städtischen Raum gibt es viele. Da ist, selbstredend, das Thema Nummer Eins des gesamten Gipfels: der beschleunigte Umstieg auf erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz. Den Stadtverkehr auf Elektromobilität umstellen, Gebäude mit Wind- und Sonnenkraft heizen und kühlen, sie gut dämmen und vieles mehr. Da sind aber auch Maßnahmen, die über das Leben im Hier und Jetzt, sprich über die Nutzungsphase von Häusern hinausgehen. Maßnahmen, die davor und danach ansetzen, bei der Gewinnung von Baumaterialien und bei der Frage, was am Ende aus ihnen und den darin gespeicherten Rohstoffen wird.

Vorne im Lebenszyklus geht es darum, Materialien möglichst klimaneutral herzustellen: Zement, Glas, Holz, Stahl, Kunststoff und alles, was sonst noch zum Bauen benötigt wird, sollte mit einem möglichst kleinen Klima-Fußabdruck daherkommen. Kunststoffe beispielweise, die unter anderem zur Gebäudeisolierung wichtig sind, werden zunehmend aus erneuerbaren Rohstoffen wie pflanzlicher Biomasse gefertigt. Eine weitere Quelle, um fossile Ressourcen wie Erdöl abzulösen, sind ausgediente Produkte und Abfall, aus denen möglichst neue Werkstoffe entstehen sollten.

Enorme Mengen an Bauschutt verwerten

Das führt zum Klimaschutz-Hebel weiter hinten im Lebenszyklus und zu einem speziellen Aspekt, der noch wenig ausgeleuchtet ist: dem Schattendasein von Bau- und Abräumschutt. Der steht beispielsweise in der Europäischen Union mit einem Anteil von 25 bis 30 Prozent an der Spitze des gesamten Abfallaufkommens. Große Mengen schwerer Abfälle zu entsorgen ist teuer, und für viele Städte ist es zudem aus Platzgründen schwierig, sie in Deponien unterzubringen. Und es macht auch wenig Sinn, denn Abfall ist ungenutzter Rohstoff. Daher ist es folgerichtig, wenn die EU unter anderem die Identifizierung, Trennung und Sammlung dieser Abfälle fördern und so das Recycling ankurbeln will.

Es ist auch höchste Zeit. Denn insgesamt ist die Welt erst zu 7,2 Prozent zirkulär – weniger als noch vor ein paar Jahren. Um das zu ändern, muss aber nicht nur die Abfallwirtschaft ausgebaut werden. Es gilt, Recycling im Bausektor und in den vorgelagerten Industrien wie Chemie und Kunststoffe gemeinsam als zukunftsweisenden Weg bei der Herstellung von Produkten zu beschreiten. Dazu zählt: Baumaterialien und alle sich daraus ableitenden Produkte, Gebäude und Infrastrukturen müssen von vornherein so konzipiert werden, dass sie sich später wiederverwerten lassen.

Fanal für die Kreislaufwirtschaft setzen

Kurz, die Kreislaufwirtschaft muss zum globalen Leitprinzip werden. Und der Gipfel in Dubai sollte ein Fanal setzen, sie intensiv voranzutreiben und umfassend zu implementieren. Das ist auch das Ziel der Global Impact Coalition, einer neuen Allianz im Chemiebereich. Geführt von den CEOs internationaler Unternehmen, darunter Covestro, und angetreten mit dem Ziel, den Weg der Branche hin zu Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu ebnen.

Dubai selbst hat sich das Konzept der Kreislaufwirtschaft übrigens schon zu eigen gemacht. Es belegt inzwischen Platz 22 in einem aktuellen Ranking der 30 weltweit führenden Städte, die den Übergang zu einem zirkulären Leben vorantreiben. Damit befindet sich die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate in Gesellschaft von anderen Metropolen wie London, Seattle, Buenos Aires oder Peking.

Die Transformation der Städte – das ist unser großer Hebel für Klimaneutralität und eine wirklich nachhaltige Zukunft.

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