26
Oktober
2023
|
13:00
Europe/Amsterdam

Autos im Kreislauf fahren

Written by: Frank Buckel
Zusammenfassung

Was braucht es, um Autos kreislauffähig zu machen? Sie müssen nach einer möglichst langen Nutzungsphase verfügbar sein, die verwendeten Rohstoffe zurückgewonnen und zum Bau neuer Autos genutzt werden. Genau das sieht der neue Entwurf der Europäischen Kommission zur End-of-Life Vehicle (ELV) Verordnung vor.

Die neue ELV setzt dabei auf verschärfte Maßnahmen zum Rezyklateinsatz für Kunststoffe, zur Verwertung von Altautos und zur Ausfuhr von Gebrauchtwagen. Die Europäische Kommission (EC)(a) wurde dabei von der Erkenntnis(b) geleitet, dass die existierende ELV-Richtlinie die Nutzung von Rezyklat nicht verbessert hat, dass weiterhin nur geringe Kunststoffmengen recycelt werden und jährlich etwa ein Drittel der Autos von europäischen Straßen verschwinden, vermutlich über den Export.

Als Reaktion darauf hat die EC im Sommer dieses Jahres ihren langerwarteten Entwurf für eine Gesetzgebung veröffentlicht(c), der nun vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat kommentiert wird, bevor die Verhandlungen zum finalen Gesetzestext zwischen den drei Institutionen beginnen. Der Vorschlag soll die existierenden ELV-Richtlinien aus dem Jahr 2000 und 3R (Typgenehmigung bezüglich Reusability, Recyclability und Recoverability) aus dem Jahr 2005 ersetzen und wird dann direkt geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten, da es sich nicht mehr um eine Richtlinie, sondern eine Verordnung (Rechtsakt) handelt(d).

Warum braucht es überhaupt regulatorische Vorgaben?

Wie bei vielen Transformationen braucht auch die Kreislaufwirtschaft einen wirkungsvollen Anschub, um gegen ein lange etabliertes, vorrangig am Bedarf und weniger an den Auswirkungen unseres Lebensstils orientiertes System wirtschaftlich konkurrieren zu können. Dieser Anschub kann über wirtschaftliche Anreize funktionieren, bis zirkuläre Wirtschaftsmodelle eingeführt und wettbewerbsfähig sind, oder wie in diesem Fall über gesetzgeberische Forderungen erfolgen, die dann die Rahmenbedingungen für alle entsprechend setzen und damit die zirkulären Modelle etablieren.

In ihrer Folgenabschätzung(e) zu dem Gesetzentwurf geht die EC bei vollständiger Anwendung der Rahmenbedingungen von jährlich ca. 1 Milliarde Euro Mehrkosten aus, was zu steigenden Autopreisen führen dürfte. Eine Konsequenz auf dem Weg zu kreislauffähigen Autos, die – im Fall einer angemessenen Bepreisung – durch eingesparte Treibhausgasemissionen zumindest zum Teil wieder kompensiert würde.

Wie ist der Entwurf einzuschätzen?

Aus der Perspektive eines Kunststoffherstellers wie Covestro, der vollständig zirkulär werden will, geht der Entwurf in die richtige Richtung und adressiert die wesentlichen Punkte für eine bessere Kreislauffähigkeit der in Autos verwendeten Kunststoffe. Konkret die bessere Verfügbarkeit von Altautos als Abfallquelle für neue Kunststoffe, die Vorgaben zur Behandlung von Altautos insbesondere zur Demontage als Quelle für spezifische Recyclingverfahren von Einzelkunststofffraktionen, das Verbot der Deponierung von Kunststoffgemischen nach einem Schreddern von Altautos als Quelle für thermochemische Recyclingverfahren und natürlich die Einsatzquote für recycelte Kunststoffe als Bedarfszusage für Rezyklate.

Für eine abschließende Bewertung und insbesondere eine erfolgreiche Umsetzung fehlen noch eine Vielzahl von Details, zum Teil im Entwurf selbst, etwa durch Formulierungen, die breiten Interpretationsspielraum lassen, zum Beispiel, was als Kunststoff gewertet wird, aber auch Aspekte wie die Berechnung der Rezyklatquote über Massenbilanzen für chemische Recyclingverfahren. Dementsprechend ist der Entwurf auch ein Arbeitsauftrag der EC an sich selbst, diese entscheidenden Details für eine erfolgreiche Umsetzung zu definieren.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum andere sinnvolle Ansätze einer Kreislaufwirtschaft nicht berücksichtigt bzw. wirtschaftlich benachteiligt werden. Dies betrifft etwa Abfälle aus der Herstellungsphase (sogenannte Post-Industrial-Abfälle) oder nachhaltig gewonnene, biobasierte Rohstoffe, die wie die "carbon capture and utilization"-Technologie (CCU) ebenfalls den Kohlenstoffkreislauf schließen und somit die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen vermindern. Deren Beitrag für die Kreislaufwirtschaft wird durch die ausschließliche Fokussierung der Einsatzquote auf Endkonsumentenkunststoffabfälle (sogenannte Post-Consumer-Abfälle) als Quelle gefährdet. Hier wären Ergänzungen im Sinn einer ganzheitlichen Kreislaufwirtschaft sinnvoll.

Was braucht es jetzt?

Um eine Auto-Kreislaufwirtschaft erfolgreich umzusetzen, müssen alle Partner entlang des Wertschöpfungskreises Auto ihre Expertise zur Verfügung stellen, direkt oder über ihre Verbände, damit aus dem in die richtige Richtung gehenden Entwurf ein erfolgreicher und implementierbarer Transformationsanstoß wird, den die Partner dann in den folgenden Jahren auch konsequent umsetzen können. Darüber hinaus muss sich ein Kunststoffhersteller auf die bereits skizzierten, neuen Anforderungen einstellen, um vorbereitet zu sein und seinen Beitrag zu einer erfolgreichen Umsetzung leisten zu können.


(a) Proposal for a Regulation on circularity requirements for vehicle design and on management of end-of-life vehicles (europa.eu)     
(b) End-of-life vehicles Regulation (europa.eu)     
(c) Improving design and end-of-life management of cars (europa.eu)     
(d) Regulation (European Union) - Wikipedia     
(e) Proposal for a Regulation on circularity requirements for vehicle design and on management of end-of-life vehicles (europa.eu)
EUR-Lex - 52023SC0256 - EN - EUR-Lex (europa.eu)
resource.html (europa.eu)

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