
Effizientes Bauen: Großstädte mit kleinem CO₂-Fußabdruck

Umweltschutz und ökologisches Wirtschaften hat als Thema rund um den Globus an Priorität gewonnen. Führende Köpfe weltweit leiten Maßnahmen ein, um den Klimawandel zu stoppen. Millionen (nicht nur) junger Menschen auf der ganzen Welt gehen auf die Straße, um ein verstärktes Eintreten für den Klimaschutz zu fordern – und auch im Bereich Architektur ist Nachhaltigkeit in den Vordergrund der Debatte gerückt.
„Beim Thema Architektur müssen wir völlig umdenken“, erklärt der renommierte Architekt James Timberlake: „Gebäude sind für 33 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich, und 20 Prozent der vom Menschen erzeugten CO₂-Emissionen sind Ergebnis dieser Energienutzung – hier muss etwas geschehen.
„Laut der UN werden im Jahr 2050 circa 68 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Doch das derzeitige Angebot an neuem Wohnraum wird in keinem der Marktsegmente der steigenden Nachfrage gerecht – wir hinken unserem Baubedarf jährlich um das Drei- bis Vierfache hinterher.“
Das zentrale Thema: mit der Nachfrage Schritt halten
Außerdem, so Timberlake weiter: „Wir müssen ökologisch verantwortungsvoller mit unseren Ressourcen umgehen. Laut der UN werden im Jahr 2050 circa 68 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Doch das derzeitige Angebot an neuem Wohnraum wird in keinem der Marktsegmente der steigenden Nachfrage gerecht – wir hinken unserem Baubedarf jährlich um das Drei- bis Vierfache hinterher.“
Einfach „Mithalten“ sei ein Mantra, an dem sich alle Länder und Örtlichkeiten versuchten. "Die Versorgung mit erschwinglichem, angemessenem und nachhaltigem Wohnraum ist jedoch ein komplexes Problem für jedes Land – vom reichsten und sozial fortschrittlichsten bis hin zum ärmsten“, sagt Timberlake. Um diese Krise zu lösen, müssten wir ökologisch sowohl lokal als auch global denken.
„Erstens brauchen wir bessere Daten zur demographischen Lage sowie zu Angebot und Nachfrage – Daten, die mindestens fünf bis zehn Jahre in die Zukunft projiziert werden“, so Timberlake. „Dann benötigen wir mehr Wohnraum, der an diesen Angebots- und Nachfragezahlen neu ausgerichtet ist.“ Leider gäbe es bei der Versorgung mit neuem Wohnraum jedoch eine ganze Reihe an Hürden zu überwinden.
Die Hürden: kollektive Intelligenz
„Gesetzgebung und Vorschriften sind weltweit unterschiedlich. Und jedes Land und jede Kommune legt andere Maßstäbe zugrunde, was die Qualität von Planung und Ressourcen anbelangt.“ Allgemein gültige Grundsätze für die Lage und Entwicklung von neuem Wohnraum – z. B. eher auf so genannte "brownfield"- als auf "greenfield"-Lösungen zu setzen – sind notwendig, um lokal ökologisches Bauen und global eine generelle Umweltethik gleichermaßen zu fördern.
Als ebenso wichtiger Faktor bei der Erhöhung des Wohnraumangebots gilt auch, genügend Bauland zur Verfügung zu stellen. Grundbesitz ist in jedem Land anders geregelt. Der Spielraum ist generell bereits eingeschränkt und ändert sich zudem mit den Folgen des Klimawandels. Eine ökologisch ausgerichtete Planung und Koordination mit regionalen Behörden kann dazu beitragen, künftig die richtige Lage und Verfügbarkeit von Grund und Boden zu regeln.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit, so Timberlake, sei entscheidend, um die Nachhaltigkeitsprobleme unserer Zeit – und wichtiger noch die der Zukunft – zu bewältigen: „Jedem Architektenteam sollten auch Spezialisten aus anderen Bereichen angehören. Besondere Fachkenntnisse und Wissen sind bei jedem zukünftigen Architekturprojekt vonnöten.“
Klimawissenschaftler, Umweltmanager und Materialtechniker sind nur einige der Fachleute, die dazu beitragen werden, Neubauten in Zukunft nachhaltig zu planen und zu errichten. „Mit kollektiver Intelligenz können wir Gebäude unter Aspekten eines ethischeren Umgangs mit unseren natürlichen Ressourcen entwickeln“, erläutert er. „Und unsere Verschwendung reduzieren, sowohl in Bezug auf Material als auch beim Energieverbrauch in einem Gebäude.“
„Mit kollektiver Intelligenz können wir Gebäude unter Aspekten eines ethischeren Umgangs mit unseren natürlichen Ressourcen entwickeln und unsere Verschwendung reduzieren, sowohl in Bezug auf Material als auch beim Energieverbrauch in einem Gebäude.“
Die Methode: neue Materialien
Timberlake würde auch gerne Fortschritte bei neuen Materialien, Baustoffen und -methoden für neue Wohngebäude sehen. „Die heute verwendeten, modularen Materialien zum Hausbau sind sehr vielfältig und reichen von leichtgewichtigen, kohlenstoffarmen Optionen aus Holz hin zu schweren CO₂-reicheren Elementlösungen. Beide Optionen stellen ihre eigenen Anforderungen, was Logistik und Lieferkette anbelangt."
„Zukünftige Materialien müssen mit Blick auf CO₂-Armut, eine hohe Resilienz, Lebenszyklusvorteile und Wirtschaftlichkeit unter die Lupe genommen werden“, so Timberlake. Holz ist ein solches Material. Es kann auf natürliche Weise nachwachsen und bindet Kohlenstoff.
„Wir haben oft Holz im modularen Bau eingesetzt, aber auch die Verwendung von Aluminium und verschiedenen Kunststoffen in unseren Gebäuden ausgelotet.“ Aluminium ist nicht nur haltbar, flexibel, leicht, effizient und preisgünstig, sondern dazu auch noch recycelfähig. Die nachhaltigen Materialien der Zukunft können hybride Kombinationen aus Holz, Kunststoffen und Metallen sein, die in Hinsicht auf Haltbarkeit und ihre CO₂-Bilanz optimiert wurden.
In Bezug auf die Baumethoden merkt Timberlake an: „Planer, Architekten, Entwickler und Behörden – eigentlich alle halten vorgefertigte, modulare Fertighäuser, die schneller zu vermarkten sind, für den Weg nach vorn. Aber dieser Ansatz hat bei Investoren keinen großen Anklang gefunden. Anleger für die Beteiligung an diesem Markt zu gewinnen, dadurch könnte die eigentliche Veränderung passieren.“
Beispiele: SmartWrap und Cellophane House
Timberlake hat das Potenzial von Bauen mit unkonventionellen Materialien und Baumethoden unter Beweis gestellt: Im Jahr 2003 erfanden er und sein Partner Stephen Kieran „SmartWrap“, eine energieerzeugende, leichte Hülle, die man sozusagen um ein Haus wickelt. „Die Hülle besteht aus PET, einem recycelfähigen, thermoplastischem Polymer“, erläutert Timberlake. „Ein Material, das transparent, preisgünstig und farblos ist.“
SmartWrap besteht aus mehreren Schichten, die zusätzliche Funktionen erfüllen: Eine Schicht reguliert Temperatur, eine zweite dient zur Beleuchtung und macht es möglich, Informationen wie auf einem Computerbildschirm anzuzeigen. Und eine dritte Schicht wandelt Sonnenenergie um. Damit sind mehr als die üblichen Funktionen einer konventionellen Außenmauer in einer dünnen, durchsichtigen Kunststoff-Folie vereint.
Im Jahr 2008 entwickelte Timberlake dieses Projekt noch weiter: Seine Firma KieranTimberlake baute das „Cellophane House“, ein fünfstöckiges Gebäude aus verbesserten SmartWrap-Hüllen, die auf einen Aluminiumrahmen aufgespannt wurden. Dieser aufgewertete SmartWrap bestand aus vier Schichten: Die erste Schicht diente dabei als Schutz gegen die Witterung, die zweite enthielt Photovoltaikzellen. Danach folgten eine Innenschicht aus einer Folie, die Sonnenwärme und UV-Strahlung blockierte, und schließlich die innerste Schicht aus PET. Dadurch konnte man zum einen Energie sparen, zum anderen im Winter die Wärme im Gebäude halten und es im Sommer lüften. Hier trafen moderne Architektur, eine hohe Qualität und die Perspektive auf umweltfreundliches Wohnen aufeinander. „Die verschiedenen Technologien in der Hülle des Cellophane-Hauses haben uns dabei geholfen zu verstehen, wo und wie Energieverlust in einer Gebäudehülle eintritt und wie man die Konstruktion verbessern kann, um diese Verluste zu verringern“, so Timberlake.
Unsere Zukunft: aus der Vergangenheit lernen
Als ein Beispiel für ökologisch nachhaltigere Architektur wurde das „Cellophane House“ fast sechs Monate lang im Museum of Modern Art (MoMA) in New York City gezeigt. Aber es war mehr als nur Teil einer Ausstellung: „Es war für uns eine Möglichkeit, unsere Ideen zu verwirklichen und daraus zu lernen“, sagt Timberlake.
Er fügt hinzu: „Trotzdem kann es nur ein Anfang sein. Beim Blick in die Zukunft über die heutigen Lebensmodelle und -modalitäten hinaus sehen wir eine Weiterentwicklung in der Art, wie Menschen wohnen – und auch ihre Vorstellungen von einem wünschenswerten Wohnumfeld verändern sich. Und wir sehen die Chance auf die Fortsetzung verschiedener Optionen, diesen Wohnbedarf erschwinglich erfüllen zu können.”
„Wir werden unsere Lebensweise komplett überdenken müssen“, so Timberlake abschließend. „Aber wir müssen auch aus unseren Fehlern lernen und über eine Art urbanes Verständnis nachdenken, modern und umweltfreundlich zugleich, das unsere Vergangenheit und unsere Zukunft verbindet.“
Brighter Talks – Über den Moderator

Als Urbanist und Futurist beschäftigt sich Greg Lindsay per se mit der "Stadt von morgen" und spricht regelmäßig über Themen wie Globalisierung und Innovationen. Der studierte Journalist arbeitet als Leiter des Bereichs angewandte Wissenschaften bei NewCities – die Non-Profit-Organisation hat es sich zum Ziel gemacht, die Zukunft von Metropolen mitzugestalten und zu verbessern.